Dortmunder Jude schuf Knesset-Leuchter

von Werner Strasdat

Über sich selbst sagte er einmal: "Ich bin kein ganz großer Bildhauer, aber ein bedeutender". Aus den Händen der Queen Elizabeth II. erhielt er 1957 die Auszeichnung "Officer of the Order of The British Empire". Eines seiner bedeutendsten Werke, der "Leuchter des Alten Testaments", hängt in der Londoner Westminster Abbey. Ein weiterer Leuchter aus seinem Atelier ging 1956 als Geschenk der britischen Regierung an den Staat Israel und wurde vor der Knesset in Jerusalem aufgestellt.

Der jüdische Bildhauer Benno Elkan aus Dortmund hatte es im Londoner Exil zu Weltruhm gebracht. Doch das letzte Werk seines Lebens, ein "Mahnmal für die Opfer des Bombenkrieges", galt seiner alten Heimatstadt Dortmund: "Ich weiß nur, daß ich dieses Werk schaffen mußte." Der Filmemacher Siegfried Hermes glaubt zu wissen, daß sich die in Amerika lebenden Nachfahren von Benno Elkan im Rechtsstreit mit einer Londoner Speditionsfirma befinden. Diese habe das gußfertige Tonmodell des Werks womöglich verloren.

Hermes plant einen Dokumentarfilm über den in Vergessenheit geratenen Sohn dieser Stadt. WDR-Mann Maksut Kleemann hält die Verfilmung von Elkans Leben für ein hochinteressantes Projekt. "Es ist an der Zeit, sich ins Gedächtnis zu rufen, welch großen Künstler Dortmund mit Elkan hervorgebracht hat."

Über Elkans Leben und Künstlerkarriere läßt sich bei seinem Biografen Hans Menzel-Severing detailliert nachlesen: Der Künstler war 1877 in der Brückstraße 51 als Sohn eines Kaufmannes zur Welt gekommen. Nach dem Besuch des Städtischen Gymnasiums begann er eine kaufmännische Ausbildung, die ihn auch nach Antwerpen führte. Der junge Elkan arbeitete hier als Regenschirmverkäufer und als Einkäufer für die Firma AIthoff. Doch der Weg zu den Musen zeichnete sich schon in Dortmund ab, auch wenn er "diese Stadt als völlig verarmt an Kunst" betrachtete.

1898 schaffte der 21jährige den Sprung zur Kunstakademie München, wo er sich als Zeichner und Maler ausbilden ließ. 1901 ging er nach Karlsruhe und entwickelte sich weitgehend autodidaktisch zum Bildhauer. Elkan eröffnete sein eigenes Atelier und erhielt den ersten Auftrag - aus seiner Heimatstadt: Karl Richter, Herausgeber und Chefredakteur des "General-Anzeigers", langjähriger Freund der Familie Elkan, betraute ihn mit der Schaffung eines Grabmals. Diese Grabplastik - Titel "Die Wandelnde" - eröffnete eine ganze Reihe von Arbeiten, die bis heute auf dem Ostfriedhof erhalten sind.

Elkans Auftragsbücher füllten sich allmählich, doch die Bohème muß ihn gelockt haben: 1905 ging er nach Paris, lebte in einer Künstler-Gemeinschaft (mit dem amerikanischen Maler Henry Bruce und dem Bildhauer Julius Steiner). Während in Deutschland der stilistische Kunststreit zwischen Neubarock und Neoklassizismus tobte, ließ sich der junge Dortmunder in Paris international inspirieren. Er lernte keinen geringeren als den berühmten Rodin kennen und war tiefbeeindruckt.

1908 trat er einen dreijährigen Stipendiums-Aufenthalt in Rom an. 1911 kehrte er nach Deutschland zurück. Im Weltkrieg I war er Versorgungsoffizier an der Ostfront. Seine Eindrücke schrieb er in seinen 1918 veröffentlichten "Polnischen Nachtstücken" nieder.

Die große Karriere begann nach dem Krieg: 1919 zog Elkan nach Frankfurt, wurde dort zum Sprecher der Künstler im Magistrat gewählt. Reichspräsident Hindenburg weihte Elkans 1930 in Mainz enthülltes Denkmal zur Befreiung der Rheinlande ein.

Die Machtergreifung der Nazis trieb ihn 1933 nach London. Mit im Reisegepäck: ein Leuchter, auf dem alttestamentarische [gemeint sind alttestamentliche - d. Red.] Szenen dargestellt werden. Zehn Jahre hatte Elkan daran gearbeitet, aber keinen Abnehmer gefunden. Ein britischer Lord kaufte dann 1939 das Werk und schenkte es der Westminster Abbey.

1953 suchte die britische Regierung ein geeignetes Geschenk für den jungen Staat Israel. Es war gedacht als Gabe des "ältesten Parlaments an das jüngste Parlament der Welt". Im Auftrag des "Menorah-Fund-Committee" stellte Elkan einen siebenarmigen Leuchter fertig, dessen 29 Relief-Bilder die Geschichte Israels zeigen. 4,5 mal 3,5 Meter groß, wurde die "Große Menorah" am 15. April 1956 vor dem Parlamentsgebäude in Jerusalem [damals in der King-George-Street - d. Red.] aufgestellt: das wichtigste Werk seines Lebens.

In seinen letzten Jahren dachte der schon sehr kranke Elkan an Dortmund zurück: Mit dem Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Dr. Karl Utermann, verband ihn ein Briefwechsel zwecks Ermöglichung seiner ersten Nachkriegsausstellung in Dortmund, die dann 1956 im Stadthaus eröffnet wurde.

Sein "Mahnmal für die Opfer des Bombenkrieges" gedachte er für die Stadt Dortmund zu vollenden. Es wurde nur als Tonmodell fertiggestellt. Elkans Briefpartner in Dortmund, Erich Leue, bemühte sich während der letzten Lebensmonate des Künstlers, die Stadt Dortmund für eine Auftragsvergabe zu gewinnen. Vergeblich. Am 9. Januar 1960 starb Elkan nach langer Krankheit. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof von London begraben.

1961 fand in Londons Auktionshaus Christie's die Versteigerung von Elkans Nachlaß statt. Das Dortmunder Institut für Zeitungsforschung kaufte einige kleinere Arbeiten auf und übergab sie dem Museum am Ostwall. Leue hielt noch eine Zeitlang den Kontakt mit Elkans Kindern Ursula und Wolf, wobei sie den Plan zum Guß des Bombenopfer-Mahnmals schließlich aufgaben. Das fertige Modell wurde bei einer Londoner Speditionsfirma deponiert.

aus: Westfälische Rundschau, 4.1.1989