Die Menora-Pflanze


Salvie bzw. Moriah-Pflanze

Die Tatsache, daß im 2. Buch Mose, Kap. 37, 17-24, die Beschreibung der Menora mit Begriffen aus der Pflanzenwelt geschieht, veranlasste Ephraim und Hannah Hareubeni in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in Israel nach einer Menora-ähnlichen Pflanze zu suchen.

Ihre Forschungen ergaben, daß es in Israel tatsächlich verschiedene wohlriechende Pflanzenarten gibt, die die beschriebenen Merkmale besitzen. Sie gehören zu den Salvien (lat. salvia dominica und salvia palaestina benith), die bei israelischen Botanikern als "Moriah", "Mor" oder "Marveh"-Pflanzen bekannt sind.

Nach: Gloria Deutsch in Jerusalem Post; Naturpark Neot Kedumim

 

Warum hat die Menora in vielen Synagogen nur sechs Arme?

Die Menora, die im Mittelpunkt des Stiftszeltes in der Wüste sowie des Ersten und Zweiten Tempels stand, hatte sieben Arme. Nach der Zerstörung des Tempels hat sich die Tradition entwickelt (Menachot 28b), daß bestimmte Gegenstände des Tempels nicht nachgeahmt werden dürfen und daß man deshalb keine Menorot mit sieben Armen mehr bauen sollte.

Sechsarmige Menora mit Davidstern in der Kölner Synagoge; Foto: Sachs (JA, 26.11.98)

Die sechsarmige Menora kam in Brauch, doch eine Menora mit einer beliebigen anderen Zahl von Armen war ebenfalls erlaubt. Der Davidstern wird gewöhnlich am Fuß der Menora befestigt.

Die Gemeinden, die in heutiger Zeit trotzdem siebenarmige Menorot aufstellen, versichern, ihre Leuchter seien keine Kopien der Leuchter aus dem Tempel. Da die modernen Menorot elektrisch beleuchtet werden, unterscheiden sie sich erheblich von den Originalen, die man jeden Tag reinigen, mit neuen Dochten und frischem Öl versehen mußte.

Alfred Kolatch: Jüdische Welt verstehen, Fourier Verlag, Wiesbaden
zit. aus: Allgem. Jüd. Wochenzeitung, 26.11.1998

 

Rabbinische Auslegung des Wochenabschnitts

Von der Menora zum Ewigen Licht

Beide Leuchter symbolisieren die Präsenz Gottes unter den Menschen

Von Rabbiner David Polnauer

"Wenn du die Lampen aufsetzest, so sollen die sieben Lampen den Raum vor dem Leuchter erhellen. Und Aaron tat so: Er setzte die Lampen nach vorn gewendet auf den Leuchter, wie der Herr Mose geboten hatte. Der Leuchter aber war in getriebener Arbeit aus Gold gemacht, der Fuß sowohl als die Blumen, alles war getriebene Arbeit; nach dem Bilde, das der Herr dem Mose gezeigt hatte, so hatte er den Leuchter gemacht." (4. Mose, 8, 1-4) So lesen wir zumindest in der Züricher Bibelübersetzung. Nach einer anderen Übersetzung heißt es aber: "Wenn du die Lampen aufsteckst, so sollen sie gegen die Vorderseite des Leuchters hin leuchten."

Der Unterschied in der Übersetzung mag manchem als geringfügig erscheinen, doch hat er den Talmud-Gelehrten Stoff zur Diskussion gegeben. "Warum sollen die Leuchter leuchten", fragte Raschi. "Damit man nicht denken soll, daß Gott des irdischen Lichtes bedürfe." Es geht also beim Anzünden der Menora nicht darum, einen Raum zu erhellen, sondern die Anwesenheit Gottes zu symbolisieren. Denn es steht geschrieben, sie "deuten auf die Lampe hin, die gegen die Westseite in der Mitte des Leuchters (Ner hamaarawi) steht, die vor allen Weltbewohnern bezeugt, daß die göttliche Glorie unter Israel ruht" (Talmud B, Schabat 22B.).

Kinder und auch Erwachsene wissen häufig wenig von der Bedeutung der Menora im Stiftszelt und später im Tempel. Immer wieder hört man die Fragen: Warum sollten die Lampen ununterbrochen brennen? In welcher Richtung stand die Menora und mit welchem Öl sollte sie brennen?

Die Antwort gibt uns die Tora in 2. Buch Mose 27, 20 und in 3. Buch Mose 24, 1-4:

"Der Ewige redete mit Mose und sprach: Gebiete den Israeliten, daß sie dir reines Öl aus zerstoßenen Oliven für den Leuchter bringen, damit man eine immerbrennende Lampe aufstecken kann. Außerhalb des Vorhanges, der vor der Lade mit dem Gesetz hängt, im heiligen Zelte, soll Aaron ihn herrichten, daß er beständig, vom Abend bis zum Morgen, vor dem Herrn brenne. Das ist eine ewige, für alle Geschlechter gültige Verpflichtung. Auf dem Leuchter von reinem Gold soll er die Lampen herrichten, damit sie beständig vor dem Herrn brennen."

Aus der göttlichen Anwesenheit leiten sich auch die strengen Vorschriften für die Herstellung des Öls (nur die ersten Tropfen der zerstoßenen Oliven waren geeignet) und für das tägliche Nachfüllen des Leuchters ab. Der Priester begann und beendete das Nachfüllen beim mittleren Leuchter, dem Ner hamaarawi. Aber nicht nur die Reihenfolge des Entzündens war vorgeschrieben, sondern auch die Menge des einzufüllenden Öls, damit der Leuchter auch in längeren Nächten nicht erlischt. Nicht weil Gott des Lichtes bedurfte, sondern vielmehr weil für Juden Gottes Anwesenheit notwendig war, da der Gedanke, daß der Ewige nicht im Kreis der Israeliten weilte, für sie unerträglich war.

Doch was ist, wenn man doch verlassen wird? Dann sollten die Prophezeiungen von Jesaja den Menschen Trost spenden: "Eine kleine Weile verlasse ich dich, doch mit großem Erbarmen sammle ich dich. In überwallendem Zorn verbarg ich eine kleine Weile mein Angesicht vor dir, doch mit ewiger Huld erbarme ich mich dein."

"Worin findet man hier besonderen Trost?" fragten die Gelehrten. Die Antwort lautet: Wenn der Ewige den ersten Teil der Prophezeiung eingelöst hat, wird er ohne Zweifel auch den zweiten Teil des Versprechens halten. Eine Weile, in der der Ewige sein Angesicht verborgen hatte, bedeutete für Juden 2000 Jahre Exil, Verfolgung und Erniedrigung. Dieselbe Bedeutung hatte es für sie, wenn die Menora erlosch und Gott sein Angesicht vor den Juden verbarg und die göttliche Glorie nicht in ihrem Kreis weilte.

Heute hängt das Ewige Licht vor dem Toraschrein und hat die Funktion des mittleren Leuchters der Menora übernommen. Wenn wir beten und Gottesdienst in der Synagoge halten, zünden wir zusätzlich kleine Kerzen zur Erinnerung an das Ewige Licht an. Weil unsere Synagogen als Migdasch meat - kleine Tempel - gelten, sollen sie in unseren Herzen die Erinnerung an den ehemaligen Tempel und das Stiftszelt und die Menora für immer wachhalten.

Allgem. Jüd. Wochenzeitung, 30.5.1996

 

Symbolkraft des Lichts

Von Rabbiner Nathan P. Levinson

Im Wochenabschnitt "Beha'alotcha" wird von den Lampen gesprochen, die die Kinder Israel im Stiftszelt aufstecken sollten: Nach der Vorderseite des Leuchters sollten sie leuchten (4. Buch Mose, 8,1 ff). Gemeint ist die Flamme der göttlichen Berufung, der sittlichen Verpflichtung.

Wir leben in einer Zeit, die das Gleichmaß verloren hat. Die einen meinen, der Mensch gelte nichts, er sei das niedrigste der Geschöpfe. Der Mensch sei des Menschen Wolf, beleidige den Wolf - stellte Simon Wiesenthal einmal fest. Viele stimmen dem zu und gehen noch einen Schritt weiter: Wenn dem so ist und wir nicht gegen unsere Natur angehen können, warum sollen wir uns nicht zu ihr bekennen und die biblische Ethik auf den Müllhaufen der Geschichte werfen? Wer braucht noch Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe? So denken heute viele, und einige sprechen es auch ganz offen aus.

Deshalb sollten wir Lichter zünden. Als Erinnerung, als Gegengift. Licht steht für Lernen und für Gerechtigkeit. "Denn eine Leuchte ist das Gebot (Mizwa) und die Tora ein Licht" (Sprüche 6,23). Es gibt keine Tora ohne das Tun, ohne die Konkretisierung durch die Gerechtigkeit. Was ist wohl wichtiger, das Lernen oder das Tun? fragen die Weisen. Und die Antwort ist: das Lernen, denn es führt zum Tun (Kidduschim 40b). Es geht immer um die Verantwortung für die Welt. Das ist das Licht, das Gott uns zu zünden befiehlt, um es heller werden zu lassen in dieser Welt, die er zu seiner Ehre geschaffen und in die er den Menschen als seinen Sachwalter gestellt hat. Es ist unsere Aufgabe, geführt durch das Licht der Tora, sicheren Schrittes die Welt dem Reiche Gottes näherzubringen. Das ist Hoffnung und Zuversicht, das ist Trost und Freude.

Wenn der Mensch ein Haus baut, so sagen die Rabbinen, dann macht er die Lichtluken nach außen eng und nach innen weit, auf daß das Licht den Innenraum erfülle. Beim Tempel Salomos war es umgekehrt: Da waren die Fenster nach innen eng und nach außen breit, damit das göttliche Licht von innen nach außen dringe, wie es heißt: "Und für das Haus machte er Fenster, nach außen breit und nach innen eng" (1 Könige 6,4; Num. Rabba 15,2). Das ist es. Der Geist soll nach außen strömen. Unser Glaube ist keine Angelegenheit der Nabelschau. Er ist expansiv. Er will helfen, das Licht der Tora und der Gerechtigkeit, des Lernens und des Tuns überall und immer mehr und mehr erstrahlen zu lassen. Er will der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit, der Brutalität und dem Egoismus die Helle der Menschlichkeit und die Illuminierung des Geistes entgegensetzen. Aus ihm spricht der Glaube an den Menschen und seine Möglichkeiten. Er will den Menschen an seine Würde, an seine Partnerschaft mit Gott und an seine ewige Aufgabe erinnern. Er will, daß es weitergeht, und nicht, daß wir in Ohnmacht stagnieren. Er will ein Stück Selbstbewußtsein in uns erwecken, das sich nicht in Menschenverachtung und Hochmut verliert, sondern das Wohl der Menschen im Auge hat. Kurz, er glaubt an den morgigen Tag und an die Sonne, die ihn erhellt.

Allgem. Jüd. Wochenzeitung, 12.6.1997

 

Die Wochenabschnitte (Paraschot) des jüdischen Jahres

Im jüdischen Jahr gehört zu jedem Schabbat eine bestimmte Lesung aus der Tora, den fünf Büchern Mose. Eine solche Lesung heißt Parascha ("Abschnitt"; Mehrzahl: Paraschot), und die Tora ist von 1. Mose 1 bis 5. Mose 34 in 54 solche Abschnitte aufgeteilt. Der letzte Abschnitt, der Segen Moses und sein Tod, und der erste Abschnitt, die Geschichte der Schöpfung, werden beide am Tora-Freudenfest (Simchat Tora) am Ende des herbstlichen Laubhüttenfestes gelesen.

Die Verlesung des Wochenabschnittes bildet an jedem Schabbatmorgen den feierlichen Mittelpunkt des Synagogengottesdienstes. Der Abschnitt ist wieder in Unterabschnitte gegliedert, so daß jedesmal mindestens sieben Gemeindeglieder "zur Tora aufgerufen" werden können. Es gilt als große Ehre, an der Lesung des Wochenabschnittes beim Pult des Vorlesers teilzunehmen oder den Abschnitt in der traditionell festgelegten Singweise selbst vorzutragen.

Zu jeder Toralesung gehört ein Abschnitt aus den Propheten, eine "Haftara" (Mehrzahl: Haftarot). Die Haftara hat stets einen inhaltlichen Bezug zur Parascha.

Während der Woche sollte jeder religiöse Jude sich auf die Verlesung der Parascha am Schabbat vorbereiten, indem er den Abschnitt für sich und in Ruhe zwei- bis dreimal liest. Dabei sollte er, wenn möglich, neben dem hebräischen Urtext einmal eine anerkannte Übersetzung benutzen. Als Begründung wird angegeben, man lerne daraus, auch eine andere Perspektive als die eigene aufzunehmen. Viele religiöse Juden studieren außerdem noch regelmäßig ein Stück aus dem Kommentar des Raschi (Rabbi Schlomo ben Isaak, 1040-1105) und besuchen am Schabbatnachmittag eine Art Bibelkreis zum Austausch und zum weiteren Studium der Parascha.

aus: Rundbrief des Denkendorfer Kreises für christlich-jüdische Begegnung